Sonntag, 27. Januar 2013

Raphael Sas, Das trojanische Pferd & Der Elegante Rest @ Skala Leipzig

Draußen schneit's und drinnen ist niemand. Andersrum wäre es verwunderlicher, aber auch so ist das natürlich schoad, wenn man extra aus Wien anreist und dann vor vielleicht zehn Leuten sein Konzert anfängt. So geschehen am 25. Jänner in der Skala zu Leipzig. Raphael Sas beginnt den Abend, allein mit seiner Gitarre. Komisch, dass Wiener Dialekt und Gitarre zusammen immer so nach 70er Jahren klingen, da kann der Typ noch so jung und noch so wuschelkopfhipstermäßig aussehen. Aber ein Mädchen tanzt vorn enthusiastisch und applaudiert und yeaht und alles. Später wird sich bestätigen, was man hier erahnt: sie ist seine Freundin.
Als zweiter Akt des Abends hier im kleinen Theater-Saal fungiert der Auftritt des Sängers vom Trojanischen Wien, auch aus Wien. Die Kapelle hat wohl nicht mit ins Auto gepasst, auch er spielt solo, mit der E-Gitarre vom Eleganten Rest. Die E-Gitarre feadbackt schön laut, der Tonmann sieht sich aber nicht in der Lage, das zu ändern. Er geht auch nicht nach dem ersten Lied auf die Bühne, um das Problem zu beheben. Auch nicht nach dem zweiten. Gar nicht. Er sitzt das Brummen einfach aus. Das Trojanische Pferd zieht trotzdem durch, beachtlich. Schöne Lieder sind da dabei, ein echter Popsong sogar. Und Gitarren-Soli, die man so auch noch nicht gehört hat. Gut! Und dann sogar ein gemeinsames Stück mit den Herren vom Eleganten Rest. Richtig so.
Nach sehr kurzer Pause, so kurz, dass die Raucher, Trinker und Pinkler noch gar nicht wieder drin sein können, kommen wir zum eleganten Rest des Abends. Mit ganzer Band sogar. Der Elegante Rest klingt live dann doch viel härter als gedacht, Element of Crime scheint viel weniger durch als erhofft, trotzdem ist das schon ganz schön schön. Besonders gefällt dann aber doch Frösche im Regen (allein der Titel schon), Nächte in Weiß werden vermisst. Warum diese in Leipzig gegründete famose Band nicht mehr Publikum als die vielleicht siebzig Leute anlockt, ist ein Rätsel.

Samstag, 26. Januar 2013

Splitsingle Die Heiterkeit & Ja, Panik

Man liegt auf dem Fußboden, schaut zur Decke und fragt sich mal wieder, wie schwer man verletzt würde, würde in diesem Moment die Lampe runterfallen. Schnittverletzungen, okay, aber die vielen feinen Glühbirnen-Splitter in den Schnitten, das wäre sicher unangenehm.
Unangenehm finden ja auch viele die Stimme der Frau, die bei der Heiterkeit "singt". Andere finden sie total super. So ist das halt. Auf dieser Platte darf sie das schöne Lied Für den nächstbesten Dandy anstimmen und man darf sich darüber freuen, dass Jahre, nachdem man an der Uni ernsthaft angezweifelt hatte, dass es heutzutage überhaupt noch Dandies geben könne, es wenigstens eine junge Hamburgerin gibt, die das nicht infrage stellt. Auch The Evening Sun klingt sehr gut, man hört die Heiterkeit, aber man hört auch Ja, Panik durch, schönschön. Wenn da nur dieser komische Pseudo-Smurky nicht auf der Platte mitdrehen würde, ich leg mich schnell wieder auf den Fußboden und fürchte mich vor der Lampe.
Seite B Komma Ja Komma Panik. Die gleichen Lieder, aber natürlich andersrum gecovert. The Evening Sun ist wirklich ein schönes Lied und kommt ganz ohne die Ja, Panik'sche Deutsch-Englisch-Wurstelei à la "eine transatlantic love affair, die gibt nichts her, die gibt nicts her" aus. Macht viel her, macht viel her, dieser Tonträger.

Freitag, 25. Januar 2013

Splitsingle Ja, Panik & Hans Unstern

Ja, Panik covern Herrn Unsterns Paris und machen die Tür auf, Tür zu. Der Unstern Hans hingegen covert Ja, Paniks Als habe ich... und trällert Anglet, das erste Lied seines ersten Albums. Ist insgesamt gar nicht mal so spannend. Aber dennoch von Bedeutung! Denn selten wurde eine Splitsingle mit Coverversionen auf dem Plattencover (!) so gut umgesetzt. Wirklich à la bonheur, Freunde.

Donnerstag, 24. Januar 2013

Hans Unstern, Die Heiterkeit & Ja, Panik @ Centraltheater Leipzig

In dieser einen Simpsons-Folge, in der Tingel-tangel-Bob vor Gericht steht, weil er angeklagt wird, Bart töten zu wollen, wird eine Tätowierung Tingeltangel-Bobs gezeigt, um ihn zu überführen. "DIE BART DIE" steht auf seinem Körper und das kann nur als "STIRB BART STIRB" interpretiert werden in einem amerikanischen Gericht. Doch dann schwört Tingeltangel-Bob, dass das ein Missverständnis sei, weil es sich um eine deutsche Botschaft halte: "DIE BART DIE". Die Geschworenen sind sich sofort einig: jemand, der Deutsch spricht, kann kein schlechter Mensch sein.
Bei der Hamburger Band DIE HEITERKEIT verhält es sich übrigens genau umgekehrt: Stirb Heiterkeit, stirb!, scheinen die drei jungen Frauen sagen zu wollen. Oder was anderes, das weiß man nicht so genau. Jedenfalls singt die Sängerin zu tief, nicht für mich, sondern für sich. Man kann sich das mit tocotronischen Durchhalteparolen schön reden, aber man kann auch einfach sagen: das könnte besser sein. Was sagt das über eine Band, wenn man beim ersten Reinhören in einzelne Lieder denkt: och nö, dann beim Konzert denkt: könnte auf Platte ganz gut klingen und dann beim erneuten Hören der aufgenommenen Stücke denkt: naja, eigentlich ist das schon okay? Ist das wirklich okay, wenn man nur denkt, das es okay ist, es sich aber nicht danach anfühlt? Keine Ahnung. Wahrscheinlich würde man die Heiterkeit dann doch für den nächstbesten Dandy verlassen (guter Song!), auch wenn sie so schöne Dinge sagen wie: "Es liegt an der Luft, aber es liegt auch an mir."
Bevor die Sängerin der Heiterkeit an diesem Abend aber "Alle Menschen mögen mich" brummen darf, piepst ein bärtiger Zausel in Strumpfhosen erstmal "Ich schäme mich". "Wie heißt er doch gleich? Bernd Unstern?", fragt jemand jemanden. Ach, was Bernd doch für ein glamouröser Name ist, vergisst man ja manchmal. Der Fraktus-Soundchef Bernd Wand hat nicht umsonst darauf hingewiesen, dass es bezauBERND heißt. Nun, heute aber Hans Unstern als Dosenöffner zu diesem verschrobenen Abend. Er hat schon angefangen als wir den Saal betreten und er hat Luftballons dabei. Als Auftakt Unbenannte Datei, das einzige Lied des zweiten Albums, dass nun wirklich nicht so gut ist. Statt der Kinderstimmen heute eine andere, auch nicht besser. Dann gleich der Stampfer Bea Criminal, der Favorit, die Krönung des Hans Unstern Swindles. Es stehen überall komische Instrumente rum, die seltsame Geräusche machen, eigentlich eher nur Lärm. Es fühlt sich so an, wie Hartmann'sches Theater angeblich ist, wenn man dessen Kritikern Gehör schenken würde. Man muss es so deutlich sagen: es klingt zum Kotzen, fünf Leute, die nicht singen können, kummulieren ihre Kopfstimmen, dass es einem die Schuhe nicht nur auszieht. Man sieht sie schnurstracks zur Türe rausgehen. Dieses wunderbare Stück nun ja "Musik" verliert hier 0:5 gegen den Diletantismus. Auch Entweder & Oder tut einfach nur weh. Doch dann: Ergiebig und Erschwinglich. Die Erlösung. Hans Unstern ist zurück, er wird zu dem, was nachher ein Bekannter über ihn sagt, er wird zum Zauberer. Yeah! Von nun an hat er einen. Ich schreib natürlich nur einen, weil ich ich vermeiden will. Selten gab es einen so schönen Melodieverlauf mit großartigerem Text als "Ich seh dich in die See pissen / Mein Horizont im Hochwasser / Beim Nachtreten, beim Hinterherkotzen / Fische prügeln sich um dein Erbrochenes". Nochmal: yeah! Es klingt auf einmal irgendwie alles irgendwie gut, warum auch immer. Singen kann immer noch niemand, aber das ist sowas von egal. Zur Zugabe dann auch noch Endlos endlos vom ersten Album. Es ist egal, was jetzt noch kommt, der Abend ist jetzt schon so dunkel wie der Tag es war.
Das haben sich wahrscheinlich auch die oben bereits abgefrühstückten Heiterkeiten sowie die Herren von Ja, Panik gedacht. So richtig Lust aufs Konzert scheint keineR von ihnen zu haben. Liegt aber vielleicht auch am sitzenden reservierten Publikum. Wobei man natürlich fragen darf, wer fürs Funkenüberspringenlassen verantwortlich ist: zahlende oder bezahlte Menschen? Nun, sei's drum. Ja, Panik spielt ein schönes Konzert, mal wieder ohne meine Favoriten und deshalb ein bisschen eintönig. Was hätten Zwischen 2 & 4 oder die Transatlantic Love Affair nicht alles anrichten können. Oder wenigstens die Mördergrube.. Immerhin kommt ja noch Alles hin, hin, hin und in der Zugabe sogar noch Nevermind.
Wenn man bedenkt, dass es Splitsingles Die Heiterkeit & Ja, Panik sowie Ja, Panik & Hans Unstern mit jeweils Überkreuz-Coverversionen gibt, fragt man sich schon, warum an so einem Abend nicht mal was Besonderes gemacht wird. Naja, hättstewennstewärste oder wie man sagt. Dann halt doch wieder zu den Platten greifen.

Dienstag, 22. Januar 2013

Bonjour Tristesse

David Niven, David Niven.. Der Film läuft seit fast zwanzig Minuten und ich denke nur: David Niven, David Niven.. Casino Royal! Genau, er hat in dem großartig furchtbaren Casino Royal von 1967 einen der vielen James Bonds gespielt (wie bspw. auch Woody Allen einen der Bonds gespielt hat). Ob Niven noch zu sehen war, als die Ufos und Indianer zum Showdown anhoben, wie man so sagt? Keine Ahnung.
Hier in der 1957er Verfilmung des Romans von Françoise Sagan spielt er jedenfalls auch mit. Warum die Ansagerin von Arte François Sagan sagt, ist mir ein Rätsel, die sollte das doch können. Im übrigen ist das ç in den letzten beiden Zeilen aus einem Artikel über François Truffaut rauskopiert, jawohl, Kino und so!
Der Film ist nicht allzu dolle, muss man sagen, eher so nervig-kindisch-hektisch. Jean Seberg sieht natürlich super schön dünn aus, klar, auch die Autos, die Tänze, die Zeit. Das alberne Verwechslungsspiel mit den Zimmermädchenschwestern ist ebenfalls ganz nett. Aber irgendwie fehlt da das, was nur ganz wenige Jahre danach ins Kino einzieht: Langsamkeit, Ruhe, Stille, lange Einstellungen, weniger aufgedrehte Protagonisten und so was. So sieht Bonjour Tristesse eben doch nach amerikanischem Unterhaltungs-Kino der 50er aus, was aber insofern okay ist, dass es amerikanisches Unterhaltungs-Kino der 50er ist.

Sonntag, 20. Januar 2013

Schwarzkaffee @ Werk 2 Leipzig

Vor lauter Fußgewippe verrutscht mir doch glatt die Lammfelleinlegesohle, sodass ich in der Folge sogar den Schuh ausziehen muss, um sie wieder richten zu können. Na hier ist was los!
Genauere Genauigkeiten können Sie erfahren, wenn Sie hier draufdrücken. Sie müssen das aber natürlich nicht tun, seien Sie da ganz funk und frei.

Samstag, 19. Januar 2013

Bob Dylan | Duquesne Whistle

Am 4. September hat er die Mail geschrieben, am 4. September! Jetzt ist es Mitte Januar und ich klicke erstmals den Link an. Es tut so wie ein Musikvideo, aber es ist ein Film, ein guter Film, großes Kino, richtig gut und die Musik ist auch noch wahnsinnig. Der Typ hampelt rum, das Mädchen beachtet ihn nicht, haut ihm dann auf die Nase, aber er ist verliebt und hampelt einfach weiter rum und es geht ihm gut, einfach ihretwegen. Auch als er tarantinomäßig zugerichtet wird, der Wahntraum mit ihr, lächelnd, rechtfertigt alles. "You're the only thing alive that keeps me going / You're like a time bomb in my heart."
Und der alte Mann zieht mit seiner Gang durch die Straßen und weiß natürlich bescheid, und er hat noch ein Lied geschrieben mit "blowing" im Refrain, und obwohl man bei dem Wort ja praktisch das "in the wind" schon mitdenkt, wie das Mobil in Auto, funktioniert das hier ganz wunderbar autark, das verdient Respekt oder einen Bravo-Otto. Und was Duquesne für ein schönes Wort ist! Gleich mal nachschauen, was das ist/heißt.

Freitag, 18. Januar 2013

Maximilian Hecker | Mirage of Bliss

Mit The Whereabouts of love beginnt Maximilian Heckers 2012er Album Mirage of Bliss, dass wiedermal sehr chic aussieht, und nach einigen Jahren, in denen Herr Hecker in den Tiefen des Plattenregals verschwunden war, ist man gleich wieder zuhause. Die Aus-den-Augen-verloren-Jahre hatte die Lektüre des Rise and Fall of Maximilian Hecker ja beleuchten können, aber neue Infinite Lovesongs kann das natürlich nicht ersetzen. Nachdem mir Felix Räuber nach dem Konzert mit Hecker äußerst begeistert die CD verkauft hat, bestätigt sich der Eindruck vom Konzert: Hecker-Songs sind zu klein oder auch zu groß für mehr als diesen einen Musiker. Auch sind die neuen Stücke nicht wesentlich verschieden von den ersten zwölf Jahre alten. Wahrscheinlich muss man also nicht alle Alben dieses Mannes besitzen, aber wenn eines zur Hand ist, läuft es dann doch in Dauerschleife.

Donnerstag, 17. Januar 2013

Maximilian Hecker @ Werk 2 Leipzig

Die Show beginnt mit einer Performance. Im Dunkel der Bühne erscheint ein Mensch mit so einem langen Feuerzeugdingweißtschon und macht sich daran, die vom Publikum erahnte erste Tagesaufgabe zu erledigen. Er zündet nach und nach in aller Seelenruhe die schätzungsweise 93 Kerzen auf der Bühne an. Man könnte sagen: für jede/n BesucherIn steht eine Kerze, während die/der BesucherIn sitzt, obwohl Stehplatz auf der Karte steht. Es sind also mehr Leute da als erwartet, aber natürlich trotzdem sehr wenige. Noch weniger sind auf der Bühne, nämlich erstmal nur einer, der Kerzenanzünder, allein allein. Ja, genau, der Typ ist nicht Maxi Hecker himself, sondern Felix Räuber, der Sänger von Polarkreis 18.
Als alle Kerzen romantisch vor sich hin leuchten, betritt Herr Hecker gemeinsam mit Herrn Räuber die Bühne. Keine Ansage oder irgendwas bis zum dritten Lied, so war das dem Buch zufolge zu erwarten. Das erste Stück beginnt, das E-Piano klingt wirklich sehr gut und als Maximilian Hecker beginnt zu singen, gleitet einem fast der Colabecher aus der Hand. Er singt genau so wie auf Platte. Also wirklich genau so. Wahnsinn. Genau so weich, so intim, hier auf der Bühne vor den fremden Leuten.
Das sich vorwiegend aus Pärchen zusammensetzende Publikum klatscht sehr unsicher, es fühlt sich ungefähr so an, als ob ein mieses Off-Theater-Stück endlich zuende gegangen ist, das keiner verstanden hat und nicht, als ob da grad jemand ein wundervolles Lied wunderschön gesungen hat und das Klavier gestreichelt hat. Man kann es dem Publikum nicht so recht verdenken, denn das ist hier zweifelsohne kein Popkonzert.
Zwischen den intimen in Bann schlagenden kleinen großen Liedern Heckers blitzt das auf, was man über diesen komischen Typen mal irgendwo gelesen hat. Maximilian Hecker spielt seit zwölf Jahren Konzerte, in Asien vor hunderten und tausenden Menschen, in Deutschland vor 50 bis 100, aber man hat selten jemanden gesehen, der sich so unwohl auf der Bühne fühlte. Er singt und spielt wundervoll, aber wenn er etwas sagen soll, weiß er nicht so recht, was oder wenigstens wie. Sein Sidekick Felix Räuber ist Frontmann in einer recht erfolgreichen Band und springt ein. Er ist ein Showman und man fragt sich irgendwann, wessen Konzert das ist. Er singt technisch unglaublich gut, besser als jemals auf einem Popkonzert (das hier ist, wie gesagt, eher keins) gehört, hat aber kein Stück Gefühl in seiner Stimme. Er klingt so klinisch wie dieses Superalbum seiner Band aussah.
Wenn Maximilian Hecker allein auf der Bühne ist, insgesamt bei drei Stücken und einem Kapitel seines Buches, hat man das Gefühl, es wäre intensiver, inniger, besser ohne den Kompagnon neben ihm. Verrückt genug wäre es trotzdem.

Mittwoch, 16. Januar 2013

Prag @ detektor.fm

Foto: Susann Jehnichen
Das Studio ist voller Menschen, voller zu großen Teilen hier unbekannter Menschen, denn heute spielt nicht wie sonst eine sehr gute und zu unrecht mäßig bekannte Band ein Studiokonzert bei detektor.fm, sondern die Band Prag oder vielmehr: Nora Tschirners Band. Viele aus dem Publikum werden sich nach dem Konzert Autogramme holen und natürlich ein Photo mit Nora. Die beiden Herren der Band dürfen zunächst noch mit auf die Bilder, stehen aber irgendwann einfach daneben, scheint sie aber nicht zu stören, es gibt schlimmere Wege, seiner Band Publicity zu verschaffen.
Meine Peergroup sitzt im Gang und sieht von der Band während des Konzerts gar nix. Nur beim Einmarsch der Band in den Aufnahmeraum müssen wir das "Outfit" von Frau Tschirner sehen. Beschallt wird aber der ganze Raum und so lässt sich der Eindruck von den beiden Videos der Band mit der Live-Hörprobe weiterer Lieder abgleichen. Es ist nicht so dolle. Zweidrei Lieder gehen richtig ins Ohr (und nicht wieder weg), aber der Gesang, naja. Highlight ist bezeichnenderweise ein Coversong von Supertramp, der allerdings wirklich sehr gelungen daherkommt.

Tocotronic | Auf dem Pfad der Dämmerung

Im Auto klingelt das Telephon und es geht ewig nicht los. Zur Überbrückung wird die Beute vom Plattenladen gründlich inspiziert, darunter: die Tocotronic-Prealbum-Single Auf dem Pfad der Dämmerung. Zwei Stücke, laut Aufkleber farbiges Vinyl. Ein Kreuz hinter dem Namen der Schreiberin der Coverschrift, ganz klein in den Linernotes, traurig.
Einen Tag später: mal wieder eine Email von der Hanseplatte, also große Freude. "Liebe Frühaufsteher im Wasserbett des Lebens.", geht ja schon mal gut los. Über die Tocotronic-Single heißt es darin: "Schön sieht sie aus in ihrem braunen Karton. Oder ist es grau? Bereits 23mal sind wir mit der Hülle auf die Straße gegangen, um die Farben bei Tageslicht zu prüfen. Jedes Mal mit anderem Ergebnis."
Eine transparent-blaue Vinyl-Single muss ja eigentlich nicht mehr gut klingen - ist so ein Gedanke beim ersten Hören der A-Seite. Die vielbeachtete Steinzeit-Aufnahmemaschine hat alles, was nicht Gesang ist, zu einem Brei verarbeitet. Allerdings einen anderen Brei als er von Tocotronic-Konzerten bekannt ist, irgendwie weicher, bassloser. Aber Tocotronic muss ja nicht auch noch gut klingen, sie schreiben wundervolle Lieder, Texte ja auch. Auf dem Pfad der Dämmerung ist dann auch wieder ein ganz schöner Ohrwurm und Seite B überzeugt mit einer Akustikversion von Wie wir leben wollen. Das albumbetitelnde Stück hört sich sehr nach Herrn Cashs Hurt - was will man mehr?   

Talking to Turtles | Oh the good life

Oh the good life gehört zu der im Tocotronic-Artikel erwähnten Plattenladen-Ausbeute von heute. Der dort angedeutete telephonierende Fahrer fand die Turtle-Platte im Laden und meinte, er müsse sie mir unbedingt schenken, weil er die beiden Musikanten ja kenne und schätze und die Platte so gut sei und wer weiß, ob es die noch lange und so weiter und er werde sie mir schenken. Allerdings müsste ich ihm das Geld dafür auslegen. Ha!
Wer als Kind mal als Turtle zu Fasching gehen durfte, der weiß, was dieses Wort allein für einen Reiz besitzt. Und mit den Turtles reden, na aber hallo! Da fällt mir ein, vorgestern kam eine Werbung, in der eine Schildkröte durchs Bild läuft, erst von rechts nach links mit einem Wellensittich auf dem Panzer und dann von links nach rechts mit einer kleinen Miezekatze drauf. Hat man mir so beschrieben und wie schön das schon allein klingt. Ich möchte diese Werbung sehen!
Das Cover sieht auch spitze aus, die beigelegte (lies: bei-gelegte, nicht beige-legte) CD hat genau so eine schöne, teure Papphülle - Bonuspunkte gibt es da natürlich einige. Aber genug mit der Oberflächlichkeit, lassen Sie uns von der Musik sprechen!

Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen

Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen macht einen größeren Swindle als Hans Unstern. Da lösen sich 2012 Superpunk auf, nur damit ein halbes Jahr später eine neue Band erscheint, die aber astrein so was von genau so klingt wie Superpunk: nämlich spitze. Jeder auf Erden ist wunderschön (sogar du) kann einiges, Mach mich traurig sogar noch mehr, weil es so ein Überhaupt-nicht-peinlich-Liebeslied ist.
Wenn dann live vielleicht auch Man kann einen ehrlichen Mann nicht auf seine Knie zwingen gespielt wird, gibt es den Aufstieg in die Liga der Supergentlemen.

Dienstag, 15. Januar 2013

Eine pornographische Beziehung

Warum dieser Film so heißt wie er heißt, bleibt ein Rätsel. Eine Frau gibt eine Sexanzeige auf, ein Mann meldet sich darauf, beide treffen sich und finden mehr als eine Bettgeschichte. Eine erotische Beziehung, die zu einer Art kurzen Liebesbeziehung wird - ist das wegen des Zeigens im Film dann schon Pornographie? Wesentlich mehr zu sehen als auf dem Filmplakat gibt es im Film nicht, aber es ist ja auch egal, wie dieser sehr schöne Film heißt.
Die oben skizzierte Affäre wird in einem Interview mit den beiden Protagonisten getrennt voneinander erzählt und zunehmend in "alten" Bildern gezeigt. Dieser pseudo-dokumentarische Stil wird auch dadurch verstärkt, dass sie und er (beide bleiben namenlos) sich verschieden an gleiche Details erinnern. Kannten sie sich vorm ersten Treffen nun von Fotos oder nicht? Trafen sie sich ein halbes Jahr zweimal die Woche oder einmal alle zwei Wochen über einen Zeitraum von zweidrei Monaten?
Eine pornographische Beziehung ist wunderbar ruhig gefilmt, immer gefühlte drei Sekunden zu spät beim Schnitt, wie es die Nouvelle Vague etabliert hat und wie es zuletzt in Oh boy zu sehen war. Wunderbar ist auch, dass beide Protagonisten so herrlich normal aussehen und nicht so getan wird, als ob nur wunderschöne Menschen oder eklige Pornotypen sexuelle Beziehungen hätten - auch das kann kaum ein Kino so gut wie das französische.
In diesem ganzen Vergnüglich-Leichten erschöpft sich der Film freilich nicht. Obwohl sie genau wie er nach einigem Bedenken sicher sind, eine echte Liebesbeziehung mit dem bzw. der Seelenverwandten führen zu wollen, scheitert diese schon, bevor sie beginnt. Er sieht in ihren Augen, dass sie keine Beziehung möchte, dass sie es aber nicht aussprechen kann, weshalb er lügt, er wolle keine Beziehung. Sie sieht dabei in seinen Augen, dass er es ehrlich meint und widerspricht deshalb nicht. Als ZuschauerIn schlägt man die Hände über dem Kopf zusammen, erfährt man doch parallel von den beiden im Interview, was sie eigentlich fühlten und nur zu sehen glaubten.
Der Interviewer ist nicht zu sehen, scheint jedoch ein Dokumentarfilmer, Journalist oder Wissenschaftler zu sein. Wie er die beiden Protagonisten und ihre Geschichte gefunden hat oder warum er sie erfragt, bleibt unklar. Das ist komisch.

Montag, 14. Januar 2013

Musikexpress-CD 0213

Beim Wäschezusammenlegen kann man die CD laufen lassen, das ganze für eine Parodie einer Musikexpress-CD halten, bei Adam Green und Begebernd kurz durchatmen. Kein Aufreger, kein Aufregen.
Spielt aber keine Rolle, weil allein Josef Winklers Hirnflimmern den Preis des ganzen Hefts samt CD rechtfertigt. Darin Sätze wie: "Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Affen keine Musiker werden können, weil sie kein Rhythmusgefühl haben! Jetzt sagen Sie: Das hat unser Drummer auch nicht. Aber warten Sie doch mal ab."

Anajo | Drei

Für weniger als drei lächerliche Euro wird Anajos drittes Album in der Superschnäppchenecke feilgeboten. 2,97 Taler für das aktuelle Album der Band, die Welthits wie Monika Tanzband, Franzi plus 2 oder Mein lieber Herr Gesangsverein geschrieben hat, die zwar den wenigsten bekannt sind, dennoch wirklich sehrsehr gut sind. So ein Angebot muss doch die Rettung dieses vermaledeiten Montags sein!
Denkste! Da ist gar kein Ohrwurm drauf, die CD läuft nur so durch und wenn was auffällt, dann leider nicht positiv. Ist doch Mist. Na gut, dann noch eine Runde die Welt retten.

Donnerstag, 10. Januar 2013

Fraktus | Millenium Edition

Mit Best-of-Alben ist es ja immer so eine Sache, meist wirken sie wie lieblos zusammengewürfelte Compilations. Doch nicht so bei den Technopionieren von Fraktus! Die Millenium Edition ihrer größten Hits wirkt wie aus einem Guss, sodass einem all die armen Menschen, die dieses Kleinod der Großen Musik nicht kennen, nur leid tun können.
Die Doppel-LP kommt als aufwändig gestaltete Version mit den Reprints der originalen, längst vergriffenen Albumcover aus den 80er Jahren. Die 13 Stücke (plus ein Remix von Alex Christensen) zeugen einerseits von Fraktus' Vorreiterrolle, was den heutigen elektronischen Sound angeht, andererseits aber auch von der Fähigkeit der Herren Schubert, Wand und Bage, die komplexe Welt der heutigen Zeit in Worte zu fassen: "Überall Probleme | Jeden Tag Probleme | Ich will keine Probleme". Wird in diesem Song noch dem Eskapismus gefrönt ("Ich will lieber tanzen | mit einem Mann"), wird an anderer Stelle zum aktiven Handeln des Einzelnen ermutigt ("Jemand muss jetzt in das Loch greifen und den Fuchs da rausziehen, sonst kriegen wir den nie!").
Wenn Fraktus "Liebe heißt auf's Maul" singen, dann scheinen sie Rocko Schamonis Kriegsmetaphorik in Eine Liebe wie ein Rocksong aus dem Jahre 1996 bereits über zehn Jahre früher vorzudenken und ihr Einfluss auch außerhalb der elektronischen Musik wird deutlich.
Fazit: Fraktus sind nicht nur besser als Kraftwerk, sondern auch besser als Deichkind, jawohl. Guter Film auch (Stichwort: Döneramok).

Studio Braun | Braunes Gold

Man muss sich nur die erste Nummer auf dieser CD anhören und man wird den Herren von Studio Braun ewig dankbar sein. Müssen. Weitere Perlen folgen, auch einiger Quatsch (haha). So klangen Telephonsketche, bevor sie vom Privatradio zerstört wurden. Damit nimmt Studio Braun für den Telephonspaß eine ähnliche Rolle ein wie Fraktus für die elektronische Musik: hochwertige Produkte zu Beginn des Genres stellen die peinlichen Erben mehr als in den Schatten. Innerhalb des Genres Telephonsketch wurde nur noch ein einziges Mal die Qualität von Studio Braun erreicht.

Kraftwerk | The Mix

Es mag am derzeitigen Trashklang so ziemlich jeder Produktion oder auch am dank Fraktus-Reunion geschulten technoiden Ohr liegen, aber diese Kraftwerk-Platte von 1991 klingt erstaunlich zeitgemäß. Auch erstaunlich eingängig, ja poppig. Geht sehr gut rein. Hört man Texte wie: "Ich bin der Musikant mit Taschenrechner in der Hand" oder die Tracks Computerliebe und Heimcomputer, fragt man sich allerdings schon, wo da noch der Unterschied zu Fraktus sein soll. Wahrscheinlich war das aber von Kraftwerk auch nicht unbedingt ernst gemeint. Geile Platte, auf jeden Fall!
"Am Heimcomputer sitz ich hier,
programmier die Zukunft mir."

Dienstag, 8. Januar 2013

David Hasselhoff | Freedom for the World

Ein Meisterwerk, ganz unbestritten ein Meisterwerk aus dem Jahre 2011. Der Titel ist groß und nichts weniger als gut. Und zwar gut im Sinne von mit tadelloser Absicht. Was will man denn mehr, als die Freiheit nicht nur für Tibet, sondern gleich für alle. Und wer außer David Hasselhoff könnte sie bringen? Eben.
Es ist ein Rätsel, warum diese schöne CD innerhalb von nur anderthalb Jahren von 12,99 über den Umweg 3,99 auf genau 1 Euro reduziert wurde, enthält sie doch 16 Hits von Let's spend the night together (Freedom for the World!) bis Wir zwei allein, die ausnahmslos alle - ähm vom nächsten Geburtstagskind bewertet werden müssen, ich werde die Folie bestimmt nicht aufmachen. Glücklich können jene sein, die nicht Anfang des Jahres geboren worden. Alle anderen müssen nun zittern vor Will Futures nächstem "Geschenk".

Glenn Gould | 4CD-Set

Dieses Werk mit dem wunderschönen, der Musik so einfühlsam entsprechenden Titel 4CD-Set gab es wie David Hasselhoffs weiter oben besprochene CD für einen Euro in einer Wühlkiste. Bach'sche Goldberg-Variationen, Klavierkonzerte und -sonaten sowie sechs Bagatellen von Beethoven, plus vermischtes der Herrschaften (Schön-)Berg und Webern - kann man nicht meckern. Wird bestimmt bald mal im Player landen. Bis dahin geht es direkt über Los und ins Archiv.

Sonntag, 6. Januar 2013

Ariel Denis | Stille in Montparnasse

Ein wundervoller kleiner Roman über einen Mann, der in Paris lebt und Popmusik hasst. Popmusik nennt er sie jedoch nicht, von dieser Diskothekenmusik ist immer die Rede. Der Herr geht gern zu Liederabenden und findet, dass man Musik eigentlich nur auf Konzerten hören dürfe. Also nix mit Kopfhörer in der Metro, nein, dieser Mann hat schon ein schlechtes Gewissen, wenn er gleichzeitig liest und Musik hört. Auf einer sündhaft teuren Anlage, die sein Freund Markus Berger aus der Schweiz gebaut hat. Mit diesem geht er zu Konzerten von Hermann Prey oder in Restaurants, wo natürlich keine Musik laufen darf. Weil die technische Reproduktion von Musik sowie die damit verbundene Verbreitung der rein kommerziell motivierten Diskothekenmusik das Ende der Musik per se ist!
Stille, nichts als Stille wünscht er sich, weil zuviel Musik hören Verrat an der Musik bedeute, wie er sich ausdrückt. "Diese wenigen Augenblicke der Stille sind die schönsten der Welt."
Interessant ist dabei, dass der Ich-Erzähler feststellt, dass seit ungefähr einhundert Jahren die Musik nicht mehr zeitgenössisch ist, in dem Sinne, dass bis dahin Musik(aufführung) die die Zeit bestimmende Kunst war, dann aber von Film und Diskothekenmusik, die ja keine eigentliche Musik ist, verdrängt wurde in ihrer Einfluss-Hoheit. Schöner Gedanke.
Der Roman ist um ein zweiseitiges Kapitelchen gestrickt, das eine Hasstirade sondersgleichen auf die Popmusik ist und das man nicht beschreiben kann:

Und jetzt Ruhe, ihr Mikrofonlutscher, Heulbojen aus den Tonstudios, ihr faden Wisperer, Playbacksänger, ihr Bercy-Großkonzertpilger, ihr Kreativ-DJs für hippe Analphabeten und abgedrehte Snobs durchgemachter Nächte, ihr abgewrackten Rocker, ihr abgerissenen Rapper, ihr geblufften Bluffer, Kuschelmusiksänger ohne jeden Charme und ihr vollgedröhnten stimmlosen Woodstockschreihälse, ihr Hitparadensieger von Radio-Kakerlake, Improvisatoren billiger Lieder, ihr hohlen Rapper der multikulturellen mediatisierten Vorstadtpseudorevolution, ihr elektrifizierten Klampfen Klimpferer, Ruhe, seid endlich ruhig, und ihr auch, stocktaube Hörer des dauernden Geplätschers, kreischende Fans unanhörbarer Konzerte, ihr jungen Diskodeppen, ihr alten Neoklassiker aus den Vorstandsetagen, ihr debilen Ideologen der Jugendmusik und der rappenden Postmoderne, ministeriellen Musik-ist-gleich-Musik-Demagogen, ihr Sturköpfe der niederbretonischen Folklore und des Bantu-Singsangs, ihr widerlichen Einheitssoßenmoderatoren, Ruhe, seid endlich ruhig,, wer nicht ohne Mikro singen kann, soll gehen, wer auf Englisch plärrt, soll den Mund halten, wer behauptet, er würde in Diskotheken und auf Rave-Partys Musik hören, soll bei Tagesanbruch für immer verschwinden, wer Schlagzeug spielt, soll abhauen, Ruhe, seid endlich alle ruhig, Rockerinnen und Rocker, Rapperinnen und Rapper, Fummler und Zapper, ihre Wanderer ohne Wanderung und Spaziergänger auf Rollen, ihr Musikjogger und Läufer im Lärm, Träger von Handys mit der Kleinen Nachtmusik oder den ersten Takten der Fünften Symphonie, taube Ohren, schreiende Münder, Radio-Fernsehen, Musik für Moneten, Kaufhaushintergrundmusik und die von Flughäfen und von überall, es reicht, zu viele Töne, zu viele Trommeln, zu viel Zeugs aller Art, es reicht, seid endlich ruhig, basta la musica, Stille, nichts als Stille und nur Stille - der Vorhang öffne sich, das Klavier präludiere, und Hermann Prey beginne zu singen.

Wenn man das so liest und wenn man schon mal länger in Paris war, dann weiß man, dass es sie noch gibt, sehr selten nur, aber es gibt sie noch, die Marcel Prousts und Thomas Manns, es gibt sie in Paris, es gibt sie in Woody Allens Filmen und es gibt sie in diesem herrlichen Text von Ariel Denis.

(Es stehen da noch einige andere schöne Dinge drin, wie bspw.: "wie sagt Deleuze, Alkoholiker trinken, weil sie etwas gesehen haben, was zu groß für sie war." Oder auch: "sommers wie winters trug er oft einen Hut". Über den Musikanlagen entwickelnden Freund Markus Berger gibt es den schönen Satz: "Wie schade, dachte ich, dass er völlig auf jegliche künstlerische Laufbahn verzichtet hat, um sich ganz seinem internationalen Unternehmen für Elektrodrähte zu verschreiben.)

Samstag, 5. Januar 2013

Zwei Leben für die Fotografie

Ein großer Saal im Leipziger Grassimuseum zeigt zahlreiche Arbeiten des photographierenden Paares Lillian Bassman und Paul Himmel, die beide erst vor kurzem weit über neunzigjährig verstorben sind. Der Einführungstext lässt unabhängig von den Bildern die Ausstellung betreffend erstmal nichts Gutes erwarten. Es ist die Rede vom richtigen Verstehen der Kunstwerke und ähnlichem Quatsch. Auch die weiteren kurzen Texte an den Wänden überzeugen wenig, enthalten teilweise Schreibfehler. Die Bilder hingegen sind sehr schön gehangen, im großen Raum behindern sich die Fotos nur vereinzelt, wenn in verglasten Rahmen mehr die gegenüberliegende Wand als das eigentliche Photo zu sehen sind. Aber das scheint ja ein gern gesehenes Phänomen in Museen zu sein.
Besonders Himmels Aufnahmen auf den Straßen New Yorks und seine Bilder des Baletts dieser Stadt bleiben in Erinnerung, jedoch weiß die Ausstellung insgesamt einen manigfaltigen Blick aufs Schaffen der beiden Amerikaner zu werfen. Nachdem das Publikum eben dieses Schaffen gesehen hat, wird in einem zweiten kleineren Raum das gezeigt, was hinter den Bildern steht. Gegenseitige und gemeinsame Aufnahmen von Bassman und Himmel, einige Filme mit Interviews und Reportagen mit und über die beiden.
So sieht man zunächst viele eindrückliche Photographien, die relativ frei wirken können und kann schließlich auf einem der Monitore die beiden Künstler sehen, in schreiend bunten Klamotten, an einem Pool in Kalifornien oder so sitzend, beide über neunzig Jahre alt, zufrieden und neugierig.

Freitag, 4. Januar 2013

Sherlock | Das große Spiel

Watson und Holmes lernen sich kennen, weil der eine eine Wohnung sucht, der andere schon eine gefunden hat, aber noch einen Mitbewohner braucht. Und damit sich der eine nicht langweilt, wird er fluchs Assistent des anderen, des Verrückten.
Sherlock / Das große Spiel bietet mal wieder großes Kino im nächtlichen Fernsehen. Wie die Conan-Doyle'sche Story des späten 19. Jahrhunderts direkt ins heutige 21. verpflanzt wird, ist eine wahre Freude. Noch nie wurde moderne Kommunikation so schön im Film gezeigt wie in der Darstellung erhaltener Kurznachrichten in dieser Serie.
Eine gemeinsame Verfolgungsjagd von Holmes und Watson - zu Fuß einem Taxi durch die Nacht Londons folgend - hält Watson für "das Blödeste, was ich je gemacht habe." "Und Sie sind im Irak einmarschiert!", entgegnet Holmes. Watson legt Stock und Gehfehler ab, ein Duo  der Extraklasse ist geboren - und würde über die zeitgleiche pseudohistorisierende Kinoverfilmung der Conan-Doyle-Stories müde lächeln.

Donnerstag, 3. Januar 2013

The Rise and Fall of Maximilian Hecker

Nicht, dass ich mich allzu oft mit Autobiographien beschäftigen würde, aber ein besserer Titel als The Rise and Fall of Maximilian Hecker ist mir bisher noch nicht begegnet. Das ist schon mal erstens. Weiterhin hat das Buch eine sehr spezielle matte Oberfläche, bei der noch nicht ganz sicher ist, was davon zu halten ist. Seite 1 verrät: die handsignierte und nummerierte Sonderausgabe 299 von 3000 ist am Start.
Dem Text ist ein Zitat aus dem großen Gatsby von F. Scott Fitzgerald vorangestellt, den viele kennen, weil er in Woody Allens Paris-Film mitgespielt hat. In eben jener Stadt wird der Held Geschichte, der kleine Maxi aus Bünde, auch gelegentlich aufschlagen, außerdem in Berlin, wo er wohnt und im Rest der Welt, wo er Konzerte und Interviews gibt und keinen Erfolg bei Frauen hat. Das ist ein zentrales Motiv des Textes, quasi omnipräsent für den kleinen Maxi aus Bünde. Weiterhin Konzerte, Parties danach, Alkohol und so Tourquatsch halt, jedoch zu keiner Zeit irgendwie glamourös, sondern stets eher als Last wahrgenommen, die mit dem Plattenaufnahmen leider verbunden ist. Gutes Weihnachtsgeschenk!

Mittwoch, 2. Januar 2013

The Great Hans Unstern Swindle

Kratz dich raus war ja schon sowas wie die Platte des Jahres, hier im Haus zwar erst 2011, nach dem Kurzauftritt Herrn Unsterns anlässlich von 20 Jahren Conne Island, aber trotzdem. Beim Betreten des Venues drängelte sich ein kleiner vollbärtiger Typ an uns vorbei und wir merkten irgendwie, dass der uns nicht nur das eine Mal aufgefallen sein würde. Hans Unstern spielte dann zweidrei Lieder - oder sowas ähnliches. Dann Ja, Panik und der Unstern geht ans Mischpult. Er hat immer noch die Parka von ganz am Anfang an und fährt die Regler mit jeder gesungenen Zeile der Band hoch und runter, keine Ahnung, warum wir an dem Tag genau neben dem Mischpult stehen. Irgendwann fingert er einhändig beim Reglerschieben einen Joghurtbecher aus seiner Tasche und dann natürlich auch noch einen Silberlöffel. Wieso die Menschen nur Joghurt essen?
Diese Platte von 2010 war irgendwie ganz anders als alles andere vorher, sie tat weh, der Mann hat keine Stimme und es knarzt und rumpelt an allen Ecken, einfach herrlich. Was sollte man da vom zweiten Album erwarten? Das erste Lied dann auf einer SPEX-CD, glaub ich, Mit schwarzen Lippen sitzen wir hinten, naja, okay, sowas wie Kratz dich raus kann man halt doch nur einmal. Ja Ficken! Von wegen! The Great Hans Unstern Swindle stellt alles in den Schatten, alles. Offenbarung oder was weiß ich denn. Der Opener, auch schon vorgeschossen im Musikexpress, ist schon der Wahnsinn. So eine Musik zu machen und dann gleich einsteigen mit Ich schäme mich, für mich schämen sich sogar die Läuse auf den Tomaten. Bamm! Und gleich Entweder & Oder hinterher, "nichts mehr wie es schien zwischen mir und mir". Wieder so komische Strophen, mehr Lyrik als Songs, Texte, für die mir keine Adjektive einfallen und dann so ein hitverdächtiger Refrain aus dem Nichts. Später kommen noch Streicher, Chöre, Orgel in einer DIY-Musik, die nicht am Abgrund taumelt, sondern auf einem Seil über die Schlucht balanciert und es währenddessen zerschneidet und hübsche Schleifen reinbindet, dass man herrlich drin hängen bleiben kann.

Ich seh dich in die See pissen
mein Horizont im Hochwasser
beim Nachtreten, beim Hinterherkotzen
Fische prügeln sich um dein Erbrochenes

Du hast mir den Hass auf mich ergiebig gemacht,
du hast mir den Hass auf mich erschwinglich gemacht
du hast mir den Hass auf mich ergiebig gemacht
Ich liebe dich dafür, dich dafür.

Mit dem Kinderlied kann ich dann nix anfangen, aber dann: "Ich spiele niemandem was vor" und vor allem "Bea Criminal", immer und immer wieder "Bea Criminal". Bei Hans Unstern ist Autosanzünden Streetart und man will immer weiter zitieren wie Espenlaub, yeah!

Dienstag, 1. Januar 2013